Mit weniger als 4000 Einwohnern ist Vleteren nur ein winziges Pünktchen auf der Karte Belgiens, doch für Biergourmets ist die Gemeinde im Westen Flanderns ein Mekka. Im Dorf Westvleteren brauen Trappistenmönche der St. Sixtus Abtei das legendäre Westvleteren XII, das viele Jahre in Folge von einschlägigen Online-Portalen als bestes Bier der Welt gewählt wurde. Nicht zuletzt die Verschlossenheit der Mönche, die sich weigern, ihr Bier trotz des Erfolgs mehr zu kommerzialisieren und größer zu vertreiben, hat zum ikonischen Status der Westvleteren Brauerei beigetragen. Keine 10 km von der St. Sixtus Abtei entfernt, werden in der Gemeinde Watou die ebenfalls hochangesehenen Biere der St. Bernardus Brauerei gebraut. St. Bernardus durfte 30 Jahre lang dank einer Lizenz die Biere für die Westvleteren-Mönche brauen, und auch nach dem Ende ihrer Zusammenarbeit 1992 braut St. Bernardus die Biere nach der Originalrezeptur von Westvleteren weiter.
Ein weiterer Grund für jeden Bierliebhaber, Vleteren einen Besuch abzustatten, liegt in der Ortschaft Oostvleteren. Dort haben De Struise Brouwers ihren Sitz. Diese Kleinbrauerei blickt im Gegensatz zu ihren bierbrauenden Nachbarn auf keine lange Geschichte zurück, auch wenn man das nach einem Blick auf ihre in der belgischen Biertradition verwurzelte Angebotspalette vielleicht meinen könnte. Nach ersten Brauexperimenten 2001 wurde De Struise 2003 offiziell gegründet, erhielt ihre ersten Auszeichnungen 2006 und 2007, und wurde bereits 2008 von den Nutzern des Online-Bewertungsportals Ratebeer als beste Brauerei der Welt gewählt. Ein Jahr später platzierte sich De Struise bei Ratebeer lediglich hinter der benachbarten Westvleteren Brauerei auf Rang 2 der besten Biere Belgiens. Dank diesen Nennungen wuchs das internationale Renommee der Brauerei außerhalb Belgiens noch schneller als im eigenen Land. Auch mehr als zehn Jahre und tausende neue Craftbrauereien später ist De Struise immer noch die höchstplatzierte belgische Brauerei auf Ratebeer, die sechsthöchstplatzierte außerhalb der USA, und belegt den 18. Platz unter allen Brauereien der Welt.
Der kreative Kopf hinter den Schöpfungen von De Struise ist Braumeister Urbain Coutteau. Der ursprünglich als Fotograf tätige Coutteau braute sein erstes Bier bereits 1987, das er spontan fermentieren ließ. Nicht so sehr, um der alten belgischen Tradition zu folgen, sondern weil er sich, eigenen Angaben zufolge, keine Bierhefe leisten konnte. Richtig auf den Geschmack ist er aber während der Neunziger gekommen, als er zehn Jahre in Afrika verbracht hat. Bier hat er dort an den Wochenenden gebraut, um die Langeweile zu vertreiben. Nach seiner Rückkehr tat er sich mit seinem Schwager Phil Driessens, dem Winzer Carlo Grootaert, und Peter Braem, einem leitenden Offizier in der belgischen Armee, zusammen. Dieses Quartett wurde zu den Gründungsvätern von De Struise. Zum Namen der Brauerei und dem Straußvogel auf dem Logo (wie übrigens auch bei der Amsterdamer Brouwerij ‚t IJ) ließen sie sich von der Straußenfarm nahe Oostvleteren inspirieren, für deren Besucher sie ihre ersten Biere gebraut haben.
Übersetzt aus dem Flämischen bedeutet struise jedoch auch „robust“ und passender kann man die Biere von Coutteau kaum beschreiben. Die meisten seiner häufig hochprozentigen Schöpfungen sind nichts für Craftbieranfänger, sondern für erfahrene, anspruchsvolle Gaumen. Diese kommen dafür voll auf ihre Kosten. Das meistverkaufte Bier von De Struise ist Pannepot, ein kräftiges Belgin Strong Dark Ale mit 10% Alkoholvolumen, das auch jedes Jahr in einer unterschiedlichen fassgelagerten Variante herausgebracht wird. Legendär und unter Bierliebhabern sehr begehrt ist auch die experimentelle Black-Damnation-Reihe, für die der 13%-ige Russian Imperial Stout Black Albert, benannt nach den belgischen König Albert II, beispielsweise unterschiedlich fassgelagert oder dem Eisbock-Prozess unterzogen wird. Nach der unehelichen Tochter des besagten Königs, der belgischen Künstlerin Delphine Boël, wurde Cuvée Delphine benannt – in Bourbonfässern gelagerter Black Albert. Die clevere Namensgebung und Etikettgestaltung brachten De Struise aber auch schon mal Probleme ein. So wurde deren Strong Ale Tsjeejes, dessen Name ein Wortspiel auf Jesus ist und dessen Etikett eine bärtige, langhaarige betrunkene Gestalt mit Weihnachtsmannmütze und Sonnenbrille zeigt, vom US-amerikanischen Büro für die Besteuerung und den Handel von Alkohol und Tabak abgelehnt. Ich schätze, sie sind darüber hinweggekommen. Ich hatte selbst kürzlich das Vergnügen, eine Bourbonfass-gelagerte Version des Bieres zu trinken, und kann nur sagen, dass es ein göttlicher Genuss war.
Nach Anfängen als Gypsy-Brauer, ist De Struise seit 2009 in einem alten Schulgebäude in Oostvleteren beheimatet. Nur samstags zwischen 14 und 18 Uhr werden dort Biere vom Fass ausgeschenkt. Ein Abstecher, wenn man in der Region ist, ist sehr empfehlenswert.
Bis dahin haben wir aber vier besondere Kreationen von De Struise nach Bonn gebracht, die ihr ab sofort in der Craftquelle finden könnt. Ignis en Flamma (6,5%) ist ein Belgian-style IPA und die direkte Antwort auf De Molens Vuur & Vlam IPA. Hopfige Grapefruit-Note harmoniert hier mit Karamell und einem kräuterigen Abgang. Das Blue Monk ist ein pechschwarzes Belgian Strong Dark Ale mit 9,5% Alkoholvolumen, geringer Karbonisierung und Noten von Lakritz, Edelbitterschokolade und Mokka. Ein Bier, dessen Komplexität sich beim Erwärmen im Glas Schluck um Schluck erweitert. Robert The Great ist ein kräftiger Russian Imperial Stout mit 10,5% Alkoholgehalt, bei dem Röstmalze dominieren, mit einem Hauch von Trockenfrüchten, Kaffee und Vanille. Das außergewöhnlichste Bier unseres De-Struise-Angebots heißt jedoch Kill and Destroy, ein Imperial IPA mit 18,2% Alkoholgehalt (nein, wir haben uns nicht verschrieben) und 309 IBUs, das zudem drei Monate lang in Bourbon-Fässern gelagert wurde – definitiv ein neues Geschmackserlebnis für alle IPA-Kenner.