Wie schmeckt Grutbier?

Verkostung von drei historischen Bieren
Verkostung von drei historischen Bieren

Wir wissen heute genau, dass es schon im Mittelalter Bier gab, und Bier sogar ein sehr beliebtes Alltagsgetränk war. Wie diese Biere geschmeckt haben, wissen wir dagegen nicht. Es gibt aber immer wieder Brauer, die versuchen, Biere nach historischen Rezepten zu brauen. Drei dieser Vertreter habe ich neulich verkostet und mich auf eine spannende Reise in die Geschichte der Bierproduktion begeben.

Von der Grut zum Hopfen

Bevor sich ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts (Reinheitsgebot von 1516) der Hopfen als Würzmittel durchgesetzt hat, wurde eine Kräutermischung, die „Grut“, zum Brauen verwendet. Sie bestand aus Kräutern wie Wacholder, Ingwer, Gagel, Salbei, Fenchel etc. Die Zusammensetzung war oft ein Betriebsgeheimnis und wurde zuerst von Mönchen und später in städtischen Gruthäusern kultiviert und behütet. Der Verkauf der Grut war lange Zeit kirchlich und etwas später dann staatlich monopolisiert. Viele Städte bestritten einen großen Teil ihrer Einnahmen durch den Verkauf der Grut an die Brauereien. Der Grutverkauf war somit der Vorläufer der Biersteuer. Das später aufkommende Hopfenbier wurde anfangs „Keutebier“ oder „Keutbier“ genannt. Es wurde zunächst von den Städten verboten, da diese um ihre Einnahmen aus dem Grutverkauf fürchteten. Hopfenbier war aber lebensmitteltechnisch sicherer, da sich in der Grut manchmal halluzinogene oder gar giftige Kräuter befanden. Zudem war es haltbarer und konnte somit besser exportiert werden. Deshalb hat es sich letztlich durchgesetzt. Das Einnahmeproblem lösten die Städte, indem sie Keutbier ebenfalls besteuerten.

Das Grutbier der Lahnsteiner Brauerei

Das Grutbier der Lahnsteiner Brauerei

Das Grutbier der Lahnsteiner Brauerei schmeckt noch am ehesten wie ein „normales“ Bier aus heutiger Sicht. Von den angegebenen Zutaten, Anis, Zitronengras und Rosmarin, ist die letztere Zutat eindeutig dominant und macht das Bier dennoch ziemlich ungewöhnlich.

 

 

Brauerei Jopen Koyt Gruitbier

Das Koyt von der Brauerei Jopen aus Haarlem in Holland

Das ungewöhnlichste Bier, aber wahrscheinlich auch originellste Grutbier, kommt von der holländischen Brauerei Jopen und heißt „Koyt“ (deutsch: Keut), was ein bisschen kurios ist, denn das Keutbier war ja eigentlich der „Grut-Killer“. Ich halte es aber dennoch für legitim, das Bier so zu bezeichnen, denn es gab ja eine mehrere Jahrhunderte lange andauernde Übergangsphase, in der sowohl Grut als auch Hopfen und auch beides zusammen verwendet wurde.

Das Reinheitsgebot von 1516

Das Reinheitsgebot von 1516 legte den Hopfen als einzige Würz-Zutat fest

Reine Hopfenbiere setzten sich wie gesagt so richtig erst mit dem Aufkommen der Reinheitsgebote im 15. und 16. Jahrhundertdurch. Und auch danach gab es immer noch Brauer, die noch bis weit ins 19. Jahrhundert und sogar noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts „illegaler Weise“ Kräuterbiere herstellten. In Köln wurden diese verbotenen Biere auch „Dollbiere“ genannt wie beispielsweise das „Kölsche Knupp“, das Michael Roeßgen von der Heinenhof Brauerei wieder auf den Markt gebracht hat. Wer früher in Köln in die Brauerzunft aufgenommen werden wollte, musste mit dem Brauereid schwören, keine Dollbiere zu brauen.

Rezept von 1407

Das Koyt ist das einzige dunkle Bier von den dreien, was historisch korrekt ist, da damals alle Biere mangels Möglichkeiten einer schonenden Darre und Filtration dunkel und trüb waren. Wahrscheinlich waren sie auch rauchig, da das Malz meist mit offenem Feuer gedarrt wurde, bei dem es zum Kontakt mit Rauch kam.

Das Rezept des Koyts stammt aus dem Jahr 1407. Leider steht auf der Flasche nicht welche Kräuter verwendet wurden. Jopen macht es auch hier wie die historischen Vorgänger und lässt sich nicht in die Karten schauen. Es riecht jedenfalls nach Anis, Fenchel, Kümmel und Wacholder. Aber auch Schoko- und Karamellnoten sind dabei. Der Abgang ist deutlich bitterer als beim Lahnsteiner Grutbier, was auf den Einsatz von Gagel oder sogar Hopfen hindeutet. Leider bekommt man das Koyt zur Zeit nicht in Deutschland, nur vor Ort in der Brauerei in Haarlem.

Kreativsud #2
Kreativsud #2 des Verbandes der Kreativbrauer

Der Kreativsud #2 der Deutschen Kreativbrauer ist auch sehr ungewöhnlich. Hier fanden Hopfen, Kümmel, Wacholder und Salz Verwendung. Es wird nicht explizit als Grutbier bezeichnet, beruft sich aber auch auf alte Brautraditionen. So wurden alte Spiegel- und Chevalliermalze verwendet. Da auch Hopfen drin ist, entspricht es auch eher Bieren aus der Übergangszeit von Grut- zu Hopfenbieren, ist also eher ein Keutebier als ein Grutbier. Die Farbe erinnert an einen dunklen Waldhonig. Der Geruch ist sehr ungewöhnlich und bringt einen Hauch von Salbei und Wacholder in die Nase. Der Geschmack entspricht dem Geruch, aber Anis und Salz kommen noch dazu. Der Abgang ist relativ bitter.

Fazit:

Alle Biere sind sehr lecker und zeigen wie vielfältig die Biere damals waren auch wenn sie an moderne, industrielle Brauverfahren Biere gewohnte Trinker wahrscheinlich überfordern. Diese Vielfalt entdecken wir jetzt zum Glück mit der Craftbier-Bewegung gerade wieder.