In unserer neuen Artikelreihe “Brew Talk: Bierbrauer im Gespräch” werden wir demnächst Craftbier-Brauer aus der Region, aber auch außerhalb vorstellen und mit ihnen über ihre Leidenschaft, aktuelle Trends auf dem Biermarkt und ihre aktuellen und künftigen Projekte sprechen.
Da Craftquelle mit dem Laden in Bonn verankert ist, ergibt es natürlich auch Sinn, den Auftakt mit einerPerson zu machen, die aus der Bonner Craftbierszene nicht wegzudenken ist. Fritz Wülfing, der seit 2010 schon sein Bier kommerziell vertreibt und 2015 die eigene Brauerei Ale-Mania in Bonn-Pützchen gegründet hat, ist ein Vorreiter der Craftbierbewegung in Deutschland, die seiner Meinung nach jedoch weiterhin in den Kinderschuhen steckt. Seine Leidenschaft für hochwertigen Gerstensaft begann bereits Ende der Achtziger bei seinem Praktikum in der Schultheiss-Brauerei. Besuche in Großbritannien und in den USA haben sie bestärkt. Aus einem Hobby wurde für den Verfahrenstechniker der Telekom ein (Neben-)Beruf. Man kann aber auch von Berufung sprechen, denn Fritz Wülfing ist mit Herz und Seele bei seinen vielfältigen Kreationen dabei. Von einem klassischen IPA über ein Porter und ein Wieß bis hin zum kräftigen Imperial Red Ale mit 9,2% ist sein Bier-Sortiment breit aufgestellt. Bei uns im Laden findet Ihr mehr als ein Dutzend verschiedener Biersorten von Ale-Mania, darunter auch experimentelle Variationen wie Bread&Hops.
In unserem Interview sprach Fritz mit uns über den Rückstand der neuen Bierkultur in Deutschland, seine großen Bier-Erfolge und -Niederlagen, die unbegründeten Vorurteile gegen das englische Bier und das Problem mit dem Kölsch.
Craftquelle: In den USA gibt es eine klar vorgegebene Definition davon, was Craftbier ist. Ob diese Definition sinnvoll ist, darüber kann man sich natürlich streiten, aber in Deutschland gibt es aktuell gar keine. Wie definierst Du für Dich Craftbier?
Fritz Wülfing: Die Bezeichnung Craftbier ist für mich der Oberbegriff für die neue Bierkultur. Craftbier bedeutet nicht nur Betriebsgröße, Besitzverhältnisse und passioniertes Brauen, dazu gehören für mich auch Innovationsgeist, Vielfalt und viele andere Aspekte. Und ich finde, zu Craftbier gehört immer eine Brauerei dazu. Das ist auch ein Phänomen in Deutschland, dass wir so viele Marken haben, aber gar nicht so viele neue kleine Brauereien.
CQ: Wie bist Du in Kontakt mit dieser neuen Bierkultur gekommen?
FW: Ich habe 1988 Praktikum in der Schultheis-Brauerei in Weißenthurm gemacht und daraus ist meine Leidenschaft gewachsen. Der Durchbruch war meine Reise nach England Anfang der Neunziger, wo ich gemerkt habe, dass diese geschmähte Kultur eigentlich eine total geniale Kultur ist.
CQ: Was war das allererste Bier, das Du privat gebraut hast?
FW: Das allererste Bier stammte aus einem Brau-Kit und war eine Katastrophe. Es war ein komischer Sirup, den ich mit Wasser gestreckt habe. Ich war erst total enttäuscht, aber dann habe ich es richtig gemacht. Das wurde ein Pale Ale, und damit war ich direkt ganz zufrieden. Mir haben damals tatsächlich amerikanische Brauer dabei geholfen, Anfang des Jahrtausends. Die Jungs von Ballast Point in San Diego haben mit einem Heimbrauershop angefangen und ich habe sie dort besucht. Ich habe dort leckere IPAs getrunken, habe ihnen meine Schwierigkeiten geschildert. Dann ging der Kerl zum Computer, druckte ein Rezept aus und sagte: “Mach das so zu Hause, das passt.” Und dann habe ich erst entdeckt, dass man für amerikanische IPAs auch zwingend amerikanische Hopfen benötigt. Diese kann man mit europäischen Varianten nicht substituieren.
CQ: Welchen Sud hast du zuerst verkauft?
FW: Das war das Fritzale IPA, der Vorgänger des Ale-Mania India Pale Ale. Den habe ich im Herbst 2010 beim Peter Esser in der Braustelle in Köln gebraut. Die Umbenennung in Ale-Mania erfolgte dann 2014, und 2015 kam die eigene Brauerei, weil ich erkannt habe, dass es blöd ist, in anderen Brauereien zu brauen. Essentiell an der Geschichte sind eben der Brauer und die Brauerei selbst.
CQ: Welches Bier ist Dein größter Verkaufsrenner?
FW: IPA Mania. Es ist jetzt auch wieder komplett ausverkauft. Es ist auch einfach das Bier, das man von uns erwartet. Wobei sich das jetzt verschiebt. Unser Geschäftsmodell ist ja, lokal zu verkaufen. Daher wird Bonner Wieß jetzt immer mehr verkauft. Wir haben auch Fassbieranteile. Wir sind momentan im Wandel. Ich will nicht ganz von der Flasche weg, aber der Fassbierverkauf soll größer werden.
CQ: Da viele Kneipen aber an bestimmte Marken gebunden sind, wird es schwer, oder?
FW: Das stimmt. Aber ich setze mich nicht in die Ecke und weine und schimpfe über die furchtbar bösen Bierkartelle, die wir haben – am schlimmsten übrigens in Köln – sondern wir machen es anders und verkaufen selber Fassbier. Der nächste Schritt ist, dass wir dann Gastronomie mit Bierausschank machen.
CQ: Wie definierst Du für Dich die Region, in der Du mit Deinen Bieren vertreten sein möchtest?
FW: Es ist ganz klar die Stadt Bonn. In Köln ein bisschen, dort gibt es auch nette Läden. Wir sind auch in Düsseldorf vertreten, aber im Fokus haben wir vor allem Bonn.
CQ: Hast Du auch Biere gebraut, mit denen Du sehr zufrieden warst, die aber keiner kaufen wollte?
FW: Unser Amber Ale, ein tolles, sehr robustes Bier. Es ist unzerstörbar. Es stand hier schon bei 35 Grad und hat nichts verloren. Ich finde es genial, aber es kauft keiner. Auch das Extra Special Bonner, ein englisches Bitter, kam grausam an. Aber ich gebe nicht auf und es kommen sicherlich noch weitere englische Sorten. Englisches Bier ist eine Katstrophe in Deutschland, weil es keiner versteht. Das liegt auch an der Bierbildung im Land. Sobald “englisch” vor einem Bier steht, ist nichts mehr zu machen. Man denkt immer an schal, bitter, langweilig. Dabei es momentan in Europa die Biernation, in der am meisten passiert. Wir ziehen uns aber nicht zurück und schimpfen über die Bierbildung in Deutschland, sondern helfen mit Tastings und Brauereiführungen aktiv nach. Am schnellsten erreicht man junge Menschen. Sie sind offener für neue Biere und Stile als alte Menschen.
CQ: Gab es auch Biere, mit denen Du selbst nicht ganz zufrieden warst?
FW: Ich muss ehrlich sagen, dass mir das englische 19th Century IPA nicht ganz gefällt. Das ist mir zu wenig… englisch. Obwohl wir nur englische Zutaten verwendet haben und das alte Malz, ist es zu “unbritisch” geworden. Aber ich bin eigentlich immer selbstkritisch, sonst wird man ja nicht besser.
CQ: Allein durch die Gypsy-Brauer, die bei Dir brauen, hast Du viele Begegnungen mit neuen Brauern. Als alter Hase im Geschäft, was ist Deiner Erfahrung nach der häufigste Fehler, den angehende Bierbrauer machen?
FW: Ich finde es nicht gut, dass der Trend eher dahingeht, nur Produkte zu schaffen, auch wenn es betriebswirtschaftlich aufgehen mag. Mit einem ordentlichen Marketing, das funktioniert, aber das Bier selbst wird sekundär.
CQ: Das passt perfekt zu meiner nächsten Frage: Qualität oder Marketing? Was setzt sich langfristig beim Craftbier durch?
FW: Marketing wird in Deutschland langfristig funktionieren. Nur kann das jeder, also werden auch wieder welche verschwinden. Wenn es das Einzige ist, dann wird es irgendjemand immer preislich unterbieten. Denn was reine Marketingbrauereien machen, werden etablierte Brauereien irgendwann besser können, denn sie können es günstiger machen.
CQ: BrewDog versucht aktuell mit einem aggressiven Preismodell im Einkauf in die deutschen Supermärkte zu kommen, womit Stone zuvor gnadenlos gescheitert ist. Ist es besser, im Nischenmarkt unterzukommen oder, wie beispielsweise Sierra Nevada in den USA, überall präsent zu sein?
FW: Man braucht beides. Was BrewDog macht, ist sehr gut. Sie vermarkten das eigene Bier aggressiv selber, schließen aber andere nicht aus. In ihren Kneipen gibt es immer auch andere Biere. Sie machen tatsächlich gutes Bier, sind passioniert und haben unheimlich guten Vertrieb. Deshalb sind sie so erfolgreich. Was BrewDog macht, ist außerordentlich nützlich.
CQ: Vor einigen Jahren, als die Craftbierbewegung in Deutschland noch extrem jung war, hast du vom kooperativen Miteinander in der Szene gesprochen. In der Zwischenzeit wurden in Deutschland und in unseren Nachbarländern viele neue Craftbrauereien hochgezogen. Hast du den Eindruck, dass aus der Kooperation Konkurrenz geworden ist?
FW: Überhaupt nicht. Konkurrenz gibt es nicht. Das kann auch nicht sein, wir sind ja immer noch in der Expansionsphase des Markts. Es sind so wenige, wer soll da Konkurrenz machen? Ich denke, dass neue Marken den Markt vergrößern und mehr Leute auf die Biere aufmerksam machen. Ich stelle immer wieder fest, wie wenig Menschen uns kennen. Das finde ich gut, denn das zeigt auch Potenzial.
CQ: Hast Du das Gefühl, dass es hier im Rheinland wegen der Kölsch-Verbreitung besonders schwer ist, in den Markt vorzudringen?
FW: Absolut. Es ist grausam. Im Grunde genommen ist Köln der Laborversuch im Idealzustand von der Gesamtsituation, die wir in Deutschland haben. In Deutschland haben wir ja das Reinheitsgebot als Doktrin für die Verdummung der Biertrinker und in Köln ist es Kölsch. Kölsch ist ja noch extrem, weil es kein richtiger Bierstil ist. Es ist aber verbunden mit der Kultur, mit der Sprache und den Menschen. Wenn man sagt, man trinke nicht gerne Kölsch, greift man gefühlt Köln direkt an.
CQ: Wenn Du sagst, Kölsch sei kein Bierstil, wo ordnest Du es unter?
FW: Es ist als Bierstil anerkannt, aber es ein Kunstprodukt. Es ist kein Bierstil, der sich natürlich entwickelt hat und eine traditionsreiche Geschichte hat. Das wäre das Wieß. Man hat nach dem Krieg erst den Namen Kölsch gebildet und wahrscheinlich anfangs auch für ungefilterte Biere. Dann wurde der Kölner Brauereiverband gegründet und erst Mitte der achtziger Jahre wurde Kölsch definiert. Kölsch wurde dann natürlich bewusst in Richtung Pils definiert und ähnlich gebraut, als helles gefiltertes Bier, das hopfenbetont ist. Obwohl das Hopfenbetonte natürlich eine Lachnummer ist, wenn man an Kölsch denkt.
CQ: Welche Stile würdest Du gerne mit Ale-Mania demnächst noch brauen?
FW: Wir haben gerade erst angefangen, untergärig zu brauen. Wir haben ein Pils gemacht, das uns gut gelungen ist. Und siehe da, untergärig brauen ist kein Geheimnis, man muss nur mehr Kälte erzeugen und schon ist es ganz einfach.
CQ: Welche Biere trinkst Du am liebsten privat, abgesehen von Deinen eigenen Produkten?
FW: Privat trinke ich meistens englische Bierstile, wie Bitter und Best Bitter, obwohl sie in Deutschland schwer zu kriegen sind. Da sind meine Favoriten.
CQ: Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview und wir sind schon auf Deine nächsten Kreationen gespannt.