Ein halbes Jahr ist mein Bottlestore für Craftbeer in der Bonner Altstadt jetzt offen. Ein guter Zeitpunkt um zurück und nach vorne zu blicken und sich ein paar persönliche Gedanken über den Biermarkt in Deutschland zu machen.
Ein fantastisches Bierjahr ist vergangen. Ich habe endlich meinen Traum wahr machen können, einen Bottlestore für Craftbeer in der Bonner Altstadt zu eröffnen. Außerdem konnte ich die die Ausbildung zum Biersommelier in Österreich erfolgreich absovieren. Highlights waren auch die Besuche auf der Craft in Essen, dem Stuttgarter Craft Beer Festival, der Besuch auf der Braubeviale in Nürnberg und bei Billies Craftbeer Festival in Antwerpen. In Frankreich hab ich mich auf Entdeckungsreise nach kleinen Brauereien gemacht und nicht zuletzt: Ich habe mir einen Braukessel gekauft und angefangen, selbst Bier zu brauen!
Als Quereinsteiger hatte ich kaum Ahnung davon wie man ein Einzelhandelsgeschäft betreibt. Ich habe also gelernt wie man mit einem digitalen Kassensystem umgeht, Artikel anlegt, Preise kalkuliert, Gutscheine ausstellt und vieles mehr. Dabei kam mir natürlich meine langjährige Erfahrung als Geschäftsführer und Inhaber einer PR- und Marketingagentur zu Gute. Es war trotzdem viel Arbeit – aber letztlich hat mir alles unglaublich viel Spaß gemacht.
Der Bierkäufer in Deutschland
Ich sehe den Biermarkt heute etwas anders als zuvor. Der Markt ist viel schwieriger als gedacht. Um das zu verstehen, muss man sich anschauen, wer denn überhaupt die Käufer von Craftbeer sind. Aus meiner Erfahrung im letzten halben Jahr kann ich meine Kunden in drei Gruppen einteilen und diese Gruppen scheinen mir typisch für Craftbeer-Käufer in Deutschland zu sein.
Der Craftbeer-Nerd
Craftbeer-Nerds sind für mich diejenigen, die schon lange Craftbeer trinken, auf Bierfestivals gehen, Bierapps wie untapped oder ratebeer nutzen, alles über Craftbeer wissen und niemals ein Fernsehbier trinken würden. Dazu gehören meist auch die Internationals – vorwiegend US-Amerikaner, die in meinen Laden kommen. Die sind oft auf der verzweifelten Suche nach trinkbarem Bier, das sie in Deutschland in ihren Augen nirgendwo finden können. Mit Craftbeer-Nerds kann man hervorragende Gespräche über Craftbeer führen und die kaufen oft auch teure Biere ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Dennoch ist es gefährlich, sich nur auf diese Käufer zu fokussieren. Sie sind wie weiße Tiger, denn es gibt nicht besonders viele davon. In der Regel werden sie auch keine treuen Stammkunden. Craftbeer-Nerds sind immer auf der Suche nach einem neuen Kick. Ich kann aber mein Sortiment nicht so schnell wechseln wie sie es sich vielleicht wünschen. Da ich meist Gebinde von 24 Flaschen vom Großhändler kaufe, bin ich darauf angewiesen, sie innerhalb der Mindesthaltbarkeit zu verkaufen. Bei exotischen Bieren ist die Gefahr immer groß, auf einem Großteil der Flaschen sitzenzubleiben. Nichtdestotrotz liegen mir die Craftbeer-Nerds sehr am Herzen – schließlich bin ich ja selbst so einer.
Der Craftbeer-Beginner
Diese Bierkäufer hatten zwar schon erste Berührungen mit Craftbeer, aber im Großen und Ganzen sind sie dem Fernsehbier immer noch treu. Sie kaufen meist einfach zu trinkende Craftbiere-Biere wie das Hopfenstopfer Citra Ale oder Dolden Sud. Auch das Citrilla oder den Schoko-Porter von Maisel & Friends mögen sie. Ich weiß noch gut, als ich selbst so war. Das war eine schöne Zeit. Ab und zu gönnte man sich ein Six-Pack mit besonderen Bieren, ohne sich viel Gedanken darüber zu machen, ob man das schon getrunken hat oder das Bier ein neues Badge bei untapped freischaltet. Man hatte noch nie ein so krasses Bier wie das Tasty Juice von Lervig oder die Marlene von Schneeeule getrunken und ahnte noch nicht, wie groß das Craftbeer-Geschmacksuniversum doch letztlich ist. Von diesen Kunden gibt es wesentlich mehr als Craftbeer-Nerds. Sie kommen immer wieder und kaufen oftmals die gleichen Biere. Sie sind deshalb meine wichtigsten und treusten Kunden.
Der Craftbeer-Neuling
Meiner Erfahrung nach wird die Gruppe der Craftbeer-Neulinge in meinem Laden immer größer, obwohl sie eigentlich kleiner werden sollte. Denn wenn Craftbeer wirklich der große Trend im Bierbereich wäre, würden die Neulinge ja langsam verschwinden und zu Beginnern werden. Dass es anders ist – zumindest in meinem Laden – liegt daran, dass die Quelle aus dem sich diese Gruppe speist, nie versiegt. Es sind nämlich fast alle in Deutschland Craftbeer-Neulinge. In meinen Laden kommen sie meist durch Zufall. Sie wollen mal schauen, was es so gibt. Oder sind Touristen auf der Suche nach einem regionalem Mitbringsel. Viele kommen auch nur, weil sie einfach irgendein ein Geschenk für Geburtstag, Wichtelabend oder sonst einen Anlass suchen. Diese Kunden zu beraten ist eine Herausforderung, weil sie gar nichts über Craftbeer und oft auch kaum etwas über Bier überhaupt wissen. In diesen Fällen gehe ich behutsam vor, denn ich will das scheue Reh ja nicht verschrecken. Empfehle ich ein krass bitteres Double IPA mit 80 IBU oder eine saure Geuze, überfordere ich den Kunden womöglich und das wars dann mit dem Thema Craftbeer. Diese Gruppe birgt aber auch die das größte Potenzial. Denn es besteht ja immer die Chance, dass sie sich zu neuen Beginnern oder sogar Craftbeer-Nerds entwickeln.
Craftbeer hat es schwer in Deutschland
Craftbeer hat es in Deutschland schwer, weil die Nachfrage trotz Wachstum immer noch sehr gering ist. Anders als in anderen Ländern gibt es (noch) keine große und stabile Käuferschaft aus den Gruppe der Crafbeer-Nerds oder Beginnern. Viel zu viele Menschen in Deutschland wissen überhaupt nichts über Craftbeer. Der Marktanteil von Craftbier liegt hierzulande deshalb auch nur bei knapp 0,5 Prozent. Auf dem riesigen US-Biermarkt ist der Craftbeer-Anteil dagegen in den letzten Jahren auf fast 20 Prozent angewachsen. Selbst im Weinland Frankreich scheint die Craftbier-Nachfrage schneller zu wachsen. Laut einer aktuellen Untersuchung der Mintel Global New Products Database (GNPD) sind in Frankreich 64 Prozent der Biertrinker an Craftbeer interessiert. In Deutschland sagen das dagegen nur 50 Prozent. Laut Mintel gehört Deutschland auch nicht zu den innovativsten Ländern was Bier betrifft. Länder wie Großbritannien, Norwegen, Spanien, Italien, Frankreich und Schweden haben längst die Nase vor.
Der wichtigste Grund für die schwachen Zahlen in Deutschland: Es gibt einfach zu viel billiges und oftmals dabei auch noch gutes Bier in Deutschland. Die meisten Konsumenten haben auch nicht die Chance, Craftbeer in einer Kneipe zu trinken, da die deutschen Wirte entweder feste Verträge mit Großbrauereien haben oder das Risiko scheuen, allzu exotisches Bier anzubieten. Das ist auch so eine deutsche Eigenart, die es neuen Brauereien schwer macht, Fuß zu fassen. Solange sich das nicht ändert, wird es wenig Anreize und Möglichkeiten für die Masse geben, Craftbeer auszuprobieren.
Schwierige Rahmenbedingungen im Einzelhandel
Im Einzelhandel sorgen schwierige Rahmenbedingungen zusätzlich für gebremstes Wachstum. Das ist auch meine Erfahrung. Einzelhändler haben es durch die Online-Konkurrenz und hohe Gewerbemieten schon schwer genug. Da ist es umso ärgerlicher, dass der Staat ihnen das Leben noch schwerer macht. Ich nenne da nur den völlig überzogenen Datenschutz, der in meinem Geschäft niemandem irgendetwas bringt, da ich sowieso keine Kundendaten erfasse. Dennoch muss ich einen riesigen Aufwand betreiben, weil für mich die gleichen verrückten Auflagen und Strafen gelten, wie für einen Großkonzern wie Google. Ähnlich ist es mit dem neuen Verpackungsgesetz. Damit sollen die niedrigen Mehrwegquoten bei Getränken auf 70 Prozent angehoben werden. Hört sich gut an. In meinem Laden liegt die Mehrwertquote aber wie im ganzen Bierbereich eh schon bei über 80 Prozent. Plastikabfall fällt bei mir auch nicht an. Trotzdem falle ich unter die Auflagen – was zusätzliche Arbeit und Kosten bedeutet.
Fazit:
Auch wenn es schwieriger ist als gedacht – ich glaube, dass Craftbier auch in Deutschland eine Zukunft hat und eine feste Größe im Biermarkt mit vielen Fans werden wird. Die Zukunft sieht nur etwas anders aus als viele denken. Ich bin zwar auch nur ein Seiteneinsteiger und betreibe meinen Shop nur im Nebenberuf. Andere, die schon seit Jahrzehnten in der Branche arbeiten, haben da sicher mehr Expertise und Erfahrung als ich. Aber dennoch glaube ich, den einen oder anderen Trend ausmachen zu können. Mehr dazu lest Ihr demnächst hier im Teil 2 meines Rückblicks/Ausblicks unter dem Titel „Quo vadis Craftbeer“.