Bock auf Bock? In unserer Reihe über die unterschiedlichen Bierstile, ihre Geschichte und ihre Unterarten widmen wir uns diesmal einem traditionsreichen deutschen Bier, dessen Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht.
„Ich mag Bier nicht wirklich. Es schmeckt meist einfach nur lasch“, erklärte mir gute Freundin vor zwei Jahren. Lediglich das Tannenzäpfle Pils sei etwas geschmackvoll und würzig, fügte sie hinzu. „Hold my beer“, war meine Reaktion. Obwohl meine Craftbier-Leidenschaft damals noch in den Kinderschuhen steckte, konnte ich das als selbsterklärter Missionar für gutes Bier – eine Einstellung, die sich für meinen Freundeskreis über die Jahre abwechselnd als bereichernd, inspirierend oder nervtötend erweisen würde – nicht auf sich sitzen lassen. „Probier doch mal das hier“, entgegnete ich, und reichte ihr eine Flasche Bockbier. Es war Liebe auf den ersten Schluck.
Doch was ist denn dieses Bockbier? Ganz einfach: eins der traditionsreichsten und heutzutage leider eher vernachlässigten Bierstile Deutschlands, dessen Ursprünge in die Zeit lange vor dem Reinheitsgebot zurückreichen. Beim klassischen Bockbier handelt es sich um (meist) untergäriges, dunkles, malzbetontes Starkbier mit einer Stammwürze von mindestens 16 Grad Plato und einem Alkoholgehalt oberhalb von 6%. Die Farbe bewegt sich irgendwo zwischen bernsteinfarben, kupfern und tiefrot. Beim Brauen werden meist Bitterhopfen eingesetzt in Verbindung mit Münchener bzw. Wiener Malzen. Häufig wird auch Pilsner Malz zugesetzt.
Obwohl Bilder von Hennes‘ Artgenossen gelegentlich das Etikett der Bockbiere zieren, hat Name des Bieres nichts mit dem Ziegenbock zu tun, sondern mit der niedersächsischen Stadt Einbeck. Heutzutage hat das Bockbier vor allem im Süden des Landes Tradition, es wurde dorthin jedoch erst aus dem Norden importiert. Mitte des 14. Jahrhunderts finden sich erste Erwähnungen des Einbecker Bieres. Etwa 200 Jahre später gelangte es über Handelswege nach Bayern und gefiel dort am Hof des Herzogs so gut, dass er erst ein Brauhaus errichten und ein Imitat des Bieres brauen ließ. Da es aber immer noch nicht an das Original heranreicht, wurde 1615 kurzerhand der Einbecker Braumeister Elias Pilcher nach München gelockt und die Tradition des bayrischen Bockbieres war geboren. Einbecker Bier wurde im bayrischen Sprachgebrauch zu „Ainpöckisch Bier“, woraus letztlich „ein Bockbier“ hervorgegangen ist.
Bockbier aus Einbeck gibt es auch heute noch in unterschiedlichen Variationen. Auch wird den Ursprüngen des Bieres mit mehreren Bockbierfesten in Niedersachsen weiterhin gehuldigt, wie beispielswiese in Meine im April. Die größte Vielfalt der Bockbiere (sowie zahlreiche Bockbierfeste) gibt es aber natürlich in Bayern, wo sich der Doppelbock Salvator von Paulaner als das bekannteste Bockbier schlechthin etabliert hat. Aber mehr dazu später.
Bockbier ist also Geschmack mit Geschichte. Doch wie schmeckt es denn eigentlich? Klassisches Bockbier ist ein vollmundiger, würziger, wärmender Genuss mit Noten von Dörrobst und Karamell. Ein Bockbier passt sehr gut als Ergänzung zu deftigen Speisen wie einem Braten, einem Eintopf, Frikadellen oder aber auch zu kräftigem Käse. Malzaromen sind der Star der Bockbiere, weshalb sie nicht zu kalt getrunken werden sollten. Erst ab 8° C entfaltet sich das Aroma. Das gilt umso mehr für den stärkeren Doppelbock, der mindestens 18 Grad Plato und einen Alkoholgehalt von mehr als 7% aufweist. Dazu gehört auch der vorhin genannte Salvator („Retter“), der Urvater der Doppelbockbiere. Stammt das Bockbier ursprünglich aus Niedersachsen, so ist der Doppelbock eine waschechte bayrische Kreation der Paulaner Mönche, die das kräftige Bier im 17. Jahrhundert gebraut haben, um es in der Fastenzeit als „flüssiges Brot“ zu trinken. Darauf geht auch die Tradition des feierlichen Salvator-Anstichs auf dem Nockherberg in München zurück, mit dem das Starkbierfest jeden März eingeläutet wird. Salvator wurde so berühmt, dass bis heute die Namen vieler Doppelböcke mit „-ator“ enden.
Doch nicht alle Bockbiere sind dunkel. Eine besonders im Norden getrunkene Unterart ist der helle Bock bzw. Maibock. Dieser hat eine goldene Farbe und ist deutlich hopfenbetonter als klassisches Bockbier. Gebraut wird der Maibock in der Regel zu Jahresbeginn und wird dann im Frühjahr, häufig auf unterschiedlichen Frühlingsfesten, getrunken.
Auch ein anderes Merkmal der Bockbiere hat eine Ausnahme. Während die meisten Böcke untergärig sind, gilt es nicht für den Weizenbock. Bei diesem wird zusätzlich zum Münchener und Pilsner Malz auch Weizenmalz verwendet und es wird mit obergäriger Weizenhefe gebraut. Klassisches Beispiel für diesen Stil ist der Aventinus Weizen-Doppelbock von Schneider Weisse.
Dieser bringt mich direkt zu einer weitere, ganz besonderen Unterart der Bockbiere – dem Eisbock. Auch diesen braut man bei Schneider Weisse als Aventinus Eisbock (bei uns in der Craftquelle erhältlich). Dieses Bier kommt auf stolze 12% Alkoholgehalt und ist daher durchaus eine Herausforderung für unerfahrene Biertrinker. Belohnt wird man dafür mit einem sehr intensiven, komplexen Geschmack, der lange nachklingt. Der Eisbock hat einer Legende zufolge seinen Ursprung in der Gegend des oberfränkischen Kulmbach, wo ein Brauergeselle Ende des 19. Jahrhunderts einige Fässer Bockbier im Winter über Nacht draußen vergessen haben soll. Ein Teil des Wassergehalts im Bier fror dabei ein, was zurückblieb war ein Bier mit deutlich höherer Alkoholkonzentration inmitten des Eisblocks. Der Geselle musste die Flüssigkeit zur Strafe trinken, stellte aber fest, dass die Bestrafung deutlich angenehmer war als von seinem Meister beabsichtigt.
Ein Eisbock der Brauerei Schorschbräu aus Mittelfranken gilt mit seinen 57% Alkoholvolumen als das stärkste Bier der Welt und wird ebenfalls durchs Einfrieren und Entfernen des gefrorenen Wassers hergestellt. Mit etwa 199 Euro pro 0,33 l Flasche erscheint der Preis für das Bier zunächst horrend, man muss muss bedenken, dass für die Herstellung von einem Liter dieses Eisbocks 50 Liter normalen Bieres verbraucht werden. Falls Euch das neugierig gemacht hat, gibt es bei uns im Laden ein Probierfläschchen mit 4 cl des Schorschbocks 57 (unser Testbericht) zu kaufen.
Schon lange hat das Bockbier seine Verbreitung auch außerhalb Deutschlands gefunden. Insbesondere in den Niederlanden werden die Supermärkte im Herbst mit unterschiedlichen Bockbieren geradezu geflutet. Auch aus Island stammt das leckere Icelandic Doppelbock von der Brauerei Einstök, das neben Münchener und Pilsner Malz auch Schokoladenmalz verwendet und dadurch besonders süffig und süßlich daherkommt. Dieses und diverse andere Bockbiere gibt es bei uns in der Craftquelle. Ein persönliches Prunkstück ist dabei für mich das vielfach prämierte Eifeler Bourbon Barrel Doppelbock der Vulkan Brauerei, das in Bourbon Fässern in 30m tiefen Vulkanhöhlen reift und 9,5% Alkoholgehalt aufweist. Ein Bier, von dem niemand behaupten kann, es schmecke „lasch“.
Mit nur 0,6% macht das Bockbier nur einen winzigen Teil des Bier- und Biermischmarktes in Deutschland aus und der Absatz geht zurück. Vielen regulären Biertrinkern ist es wohl zu stark und innerhalb der Craftbier-Trendwelle sucht es immer noch nach seinen Platz. Es gilt einfach nicht als hip wie ein India Pale Ale oder als edel wie ein Imperial Stout. Es lohnt sich jedoch, diesen Stil (wieder) zu entdecken, gerade in der kalten Jahreszeit. Die eingangs erwähnte Freundin trinkt auch zwei Jahre später nichts lieber.