In diesem Craftquelle-Exklusivinterview erzählen uns die Gründer der Hensen Brauerei, Jonas Rodig und Patrick Schröder, wie sie auf die Idee kamen, die traditionelle Altbier-Brauerei in Mönchengladbach wiederzubeleben und wie sie die weitere Entwicklung auf dem deutschen Craft-Beer-Markt einschätzen.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, die Hensen Brauerei wiederzubeleben?
Jonas: Patrick und ich haben uns in der Brauerei Königshof in Krefeld kennengelernt, wo wir fünf Jahre gearbeitet haben. Irgendwann meinte Patrick zu mir: ‚Ich plane da was mit meinem Onkel zusammen.´ Der Onkel ist heute der Dritte im Bunde und Eigentümer des Gebäudes. Er hatte schon seit Jahren die Idee, das Hensen Bier wiederzubeleben. Und wer möchte nicht seine eigene Brauerei haben?
Patrick: Stimmt! Als ich mit der Lehre anfing, meinte er bereits, dass wir irgendwann eine eigene Brauerei aufmachen. Das blieb mir die ganze Zeit im Hinterkopf.
Jonas: Es war ein langer Prozess. Vor allem kostet eine Brauereianlage viel Geld. Einer Bank das Projekt vernünftig zu vermitteln, war schwierig. Gott sei Dank haben wir einen sehr guten Partner bei einer Bank gefunden, der sich sehr für uns eingesetzt hat. Nach einem Jahr stand die Finanzierung.
Und wann habt ihr dann angefangen?
Patrick: Zum erstes Mal gebraut haben wir im Februar 2017, am Valentinstag.
Hier wird also mit Liebe gebraut?
Patrick: Absolut richtig!
Was – außer Liebe – unterscheidet eure Brauerei noch von anderen?
Jonas: Im Vergleich zur Industrie bringen wir mehr Ideen ein und machen alles selbst, von A bis Z. Ich fahre beispielsweise nach Gelsenkirchen, um das Malz abzuholen. Wir packen jede Flasche zehn Mal an, bevor sie das Haus verlässt. Wir sind an jedem Prozessschritt beteiligt, schroten das Malz, füllen ab und etikettieren. Wir fahren selbst aus. Wir betreuen auch unseren Stand auf Veranstaltungen selbst, wenn Kunden uns buchen. Im Craft-Beer-Bereich unterscheiden wir uns von vielen, indem wir selbst brauen und eine eigene Brauanlage besitzen. Viele brauen nach dem Gypsy-Verfahren. Dabei mietet man sich auf der Anlage eines Brauers ein, um nach eigener Rezeptur zu brauen oder brauen zu lassen.
Ihr beide seid Braumeister? Beim Craft Beer sind ja viele Quereinsteiger aktiv, die über keine klassische Ausbildung verfügen.
Patrick: Ich bin nur Geselle, während Jonas die Prüfung zum Braumeister abgelegt hat. Man muss aber nicht gelernt haben, um ein gutes Bier zu brauen. Am wichtigsten ist es, dass man sich mit seinem Produkt identifiziert. Dann kann gar nicht so viel schieflaufen. Aber es stimmt, besonders auf Craft-Beer-Events bemerken wir die hohe Anzahl an Quereinsteigern. Oft sind wir die einzigen vor Ort, die das Brauhandwerk gelernt haben.
Jonas: Man merkt, dass die Quereinsteiger sich mit der Thematik stark auseinandersetzen, gut informiert sind und manchmal mehr Ahnung haben als ein Gelernter. Wie bei uns ist das Brauen für die Quereinsteiger eher Berufung als Beruf. Daher habe ich mich auch dazu entschieden, mit Patrick und seinem Onkel die Brauerei aufzuziehen. In der Industrie kann man sich nicht so entfalten, wie ich das heute mache. Ich bin experimenteller geworden und kann endlich eigene Ideen umsetzen.
Ihr habt eine eigene Brauanlage. Was braucht ihr noch, um ein gutes Bier zu brauen?
Jonas: Man braucht eine Idee für das Biers, das man brauen möchte. Fachwissen und gute Rohstoffe.
Patrick: Und vor allem braucht man Geduld. Im industriellen Bereich kann man ein Bier in zwei Wochen brauen, aber im Hausbrauereigebiet braucht es mehr Zeit für ein qualitativ gutes Bier. Wir geben der Hefe die Zeit, die sie benötigt.
Und wie seid ihr auf eure Rezepturen gekommen?
Patrick: Wir hatten eine bestimmte Geschmacksvorstellung von dem Bier, das wir brauen wollten und haben dann viel ausprobiert. Mithilfe unserer Ausbildung und einigen Berechnungen können wir gezielt an den kleinen Geschmacksschrauben drehen, bis zum gewünschten Ergebnis.
Wenn ihr braut, versucht ihr den Geschmack gleichzuhalten?
Jonas: Jetzt haben wir eigentlich alles so eingestellt, dass der Geschmack gleich bleibt. Ab und zu spielen wir etwas mit dem Hopfen oder der Stammwürze. Beim Pils haben wir noch ein bisschen rumexperimentiert, haben die Stammwürze ein wenig höher gesetzt, damit das Bier einen herberen Geschmack erhält – so wie wir es mögen. Man muss seine Anlage auch kennenlernen.
Patrick: Hier und da wird schon mal etwas optimiert, das ist aber nur Feinjustierung. Es gibt nur wenige Leute, die zwischen den Abfüllungen einen Unterschied herausschmecken können. Es ist ganz normal, dass zwischen den Chargen kleine Geschmacksabweichung auftreten. Für den normalen Gaumen sind das keine großen Unterschiede.
Was würdet ihr niemals brauen?
Patrick: Wir werden öfters nach einem alkoholfreien Bier gefragt, was wir kategorisch abblocken. Das machen Hausbrauereien in der Regel nicht, es ist auch nicht ganz einfach. Unserer Meinung nach ist der Markt dafür bereits gesättigt. Außerdem würden wir unser Bier niemals filtrieren. Die Filterung beraubt das Bier seiner Seele.
Jonas: Wir brauen nur das, was wir selbst trinken.
Gladbacher sind traditionell Altbiertrinker. Wer kam auf die Idee, ein Pils mit ins Sortiment zu nehmen? War das von Anfang an klar?
Jonas: Ein Pils muss man mittlerweile anbieten. Man merkt aber, dass wieder vermehrt Alt getrunken wird. Wir haben viele normale Pilstrinker, Freunde und Kollegen, von Pils wieder auf Alt umgestellt. Auch interessieren sich andere Brauer, jenseits des Niederrheins, wieder für die Herstellung von Alt.
Wer trinkt und kauft euer Bier?
Jonas: Das Publikum in der Brauerei ist sehr gemischt. Wobei das Hauptpublikum zwischen 30 und 40 Jahre alt ist.
Patrick: Sie legen Wert auf gutes Essen und gute Getränke. Und sind bereit, mehr für ein gutes Bier auszugeben. Die Preise einer Hausbrauerei sind etwas höher, da wir nicht so günstig produzieren können wie eine Großbrauerei.
Worauf dürfen sich eure Gäste demnächst freuen? Ist was Neues in Planung?
Jonas: Wir planen für den Sommer ein Red Ale. Außerdem ist eine Neuauflage der ‚Blutgrätsche‘ geplant, ein Bier mit Blutorangensaft. Im vergangenen Jahr haben wir es in Kooperation mit der Sudden Death Brauerei vom Timmendorfer Strand herausgebracht. Wenn die Kapazitäten es hergeben, möchten wir zudem ein besonderes Bier nur für die Gastronomie oder für Veranstaltungen testen.
Patrick: Ein besonderes Highlight für das Wintergeschäft ist auch bereits in Planung. Wir haben zwei Holzfässer gekauft. Das eine Fass hat bereits einen Whiskey hinter sich und das andere einen Rum. Es wird eine stark limitierte Edition geben. Wir sind uns nur noch nicht einig, welche Biersorte im Fass abgefüllt werden soll.
Jonas: Generell muss ein Starkbier in ein solches Fass. Ein Bock oder ein stark eingebrautes Stout.
Patrick: An Ideen mangelt es uns nicht. Nur Zeit und Anlagekapazitäten schränken das Ausleben unserer Kreativität ein.
Man kann euer Bier in der Brauerei trinken und sogar bei Edeka in Mönchengladbach im Regal finden. Habt ihr größere Ambitionen?
Patrick: Wir sind derzeit in Verhandlungen mit einer weiteren Supermarktkette. Allerdings muss ich dazu sagen, dass Edeka sehr kooperativ ist hinsichtlich dem, was wir leisten können. Für die meisten ist der fehlende Strichcode ein Problem. Außerdem können wir Lagerbestände nicht immer sofort wieder auffüllen.
Jonas: Wir arbeiten am liebsten mit kleinen Läden und Getränkemärkten zusammen, mit deren Inhabern wir auch Mal ein Bier trinken und uns austauschen können.
Für euch scheint es gut zu laufen. Wie entwickelt sich der Craft-Beer-Markt in Deutschland weiter?
Jonas: Ich sehe die Entwicklungen positiv. Vor ein bis zwei Jahren haben immer alle nach amerikanischen Sorten geschrien. Jetzt haben wir in Deutschland einen eigenen guten Markt aufgebaut. Das Know-how auf dem deutschen Markt finde ich auch teilweise besser als auf dem amerikanischen Markt. Warum soll man Bier aus den USA importieren, wenn wir tolle und innovative sowie experimentelle Brauereien direkt vor der Tür haben? Und das bereits seit hunderten von Jahren. Außerdem entwickelt sich der amerikanische Markt immer weiter weg von dem, was ich unter den Begriff Craft Beer verstehe. In den USA zählen Brauereien noch zu Craft Beer, wenn sie mittlerweile eine Millionen Hektoliter produzieren.
Patrick: So bezeichnen wir uns auch eher als Hausbrauerei, die auch gerne außer Haus verkauft. Den Begriff Craft Beer verwenden wir nicht oft. Ich denke aber, dass alle, die ein gutes Bier machen und ehrlich verkaufen, auf dem Markt bestehen bleiben können. Daneben werden einige Marken kurz aufblühen und wieder vom Markt verschwinden. Dahinter stehen meist jene Leute, die kurzfristig auf den Zug aufspringen und im Craft Beer nur ein funky Bier mit fancy Etikett und hippen Kronkorken sehen.
Gefährden Großbrauereien mit eigenen Craft-Beer-Linien den Markt?
Patrick: Das machen jetzt immer mehr Brauer, wie Becks mit Amber Ale, Pils 1873 und Pale Ale. Aber die Konsumenten nehmen es den Brauereien nicht wirklich ab. In der Regel sind ihre Biere einfach nur unfiltriert. Die Industrie spart sich nur einen Arbeitsschritt. Sie machen ein anderes Etikett auf die Flasche und nennen es Craft Beer.
Jonas: Ich finde, die Großen sollten den Kleinen ihren Spielraum lassen, die mit viel Herzblut brauen. Wir reden von einem Craft-Beer-Marktanteil von fünf Prozent.
Was sind eurer Meinung nach die drei besten Biere der Welt?
Jonas: Nummer eins: Freibier.
Patrick: Da sind wir uns absolut einig, das ist Freibier.
Jonas: Bei der zwei sind wir uns auch einig, das ist ein Altbier. Und Nummer drei… ich möchte nicht einfach eine Marke nennen, weil ich so viel mag. Daher sage ich ein Stout.
Hensen Brauerei GmbH
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