Craftquelle Bonn

Es muss nicht immer Kölsch sein

Als Kölns kleinste Brauerei bezeichnet Inhaber Peter Esser seinen Brewpub “Braustelle” in Kölns angesagtem Multi-Kulti-Stadtteil Ehrenfeld. Klein ist die Kneipe, aber groß ist die Kreativität mit der Esser hier seine Biere braut.

Gebraut wird inmitten der Kneipe, in der auch leckeres Essen serviert wird. Ich war an einem Samstagabend hier und es war proppenvoll. Eigentlich wollten wir auch essen, ein freier Platz aber nirgends auszumachen. Deshalb sind wir erst wieder rausgegangen und sind in einer Edelpizzeria ein paar Schritte die Venlorer Straße hinunter gelandet. Dann beim zweiten Versuch war es immer noch voll, zum Trinken reichte uns aber ein Stehplatz im Eingangsbereich. Dort mühte sich eine Kellnerin gerade damit ab, zwei mit russischem Akzent sprechende, finster aussehende Typen nach draußen zu bugsieren. Das stellte sich nicht so einfach heraus, da besonders einer der beiden buchstäblich nicht mehr gerade stehen konnte. Nach einem zerdepperten Glas, viel Zureden und sanftem Schubsen gelang es ihr endlich nach gefühlten 15 Minuten.

Vom der finstern Spelunke zum Craftbeer-Tempel

Ich hatte bereits gelesen, dass das Lokal früher wohl eine zwielichtige Spelunke war, bevor Peter Esser das Lokal 2001 übernahm. Allerdings ist das schon lange her. Offenbar scheinen aber immer noch ab und zu ein paar seltsame Gestalten hier aufzukreuzen. Vielleicht war es aber auch nur ein Zufall. Schließlich haben wir doch noch einen freien Tisch ergattert, so dass wir uns unbeschwert den Bieren zuwenden konnten.

Die Kneipe ist wirklich nicht groß und in die Einrichtung ist scheinbar nicht allzu viel Herzblut geflossen. Ins Bier dafür umso mehr. Toll ist, dass man freien Zugang zur Brauanlage hat, die sich im hinteren Bereich des kleinen Schankraums befindet. Eine große Kreidetafel informiert über die aktuell gebrauten Biere. Ich habe folgende probiert:

Colonia Pale Ale – Ein helles Bier mit 5 Prozent Alkoholgehalt, welches wie ein Season IPA schmeckt – frisch, hopfengestopft mit Cascade/Citra und Simcoe Hopfen – sehr lecker.

Pink Panther – sehr saures, rotes Bier mit Hibiskusblütten gebraut, 5,8 Prozent – bestimmt erfrischend im Sommer, aber für mich kein Bier für die dunkle Jahreszeit.

Wilde Wutz – Eines der ungewöhnlichsten Getränke, die ich je getrunken habe. Wie der Name sagt ein wildes Potpourrie an Aromen, erinnert stark an das asturische Nationalgetränk Sidra – also einen Apfelwein. Mit dem deutschen Reinheitsgebot hat das sicher nichts zu tun. Das Zeug hat 6,5 Prozent Alkohol und ich fand es toll.

Ehrenfelder Alt – Unglaublich aber wahr: Ein Alt, das in Köln gebraut wird. Der Mann traut sich was. Für Kölner ist Düsseldorf ja die verbotene Stadt. Und sein Kölsch hält der Kölner für das einzige wahre Bier. Mit einem Altbier würde ein Kölner nicht mal seine Blumen gießen. Der arme Peter Esser hat sich bestimmt einiges anhören müssen. Aber er ist ja auch in Düsseldorf geboren und somit kein „richtiger“ Kölner. Ich habe an diesem Abend keinen anderen außer mir gesehen, der es gewagt hätte, dieses Gebräu aus der Hölle zu probieren. Es dauerte dann auch gefühlte zehn Minuten bis es in einem bauchigen 0,2 l Glas kam. Laut Kellner braucht es beim Zapfen seine Zeit. Wenn das mal kein Omen ist. Das Alt guckte mich allerdings sehr appetitlich an, fast schwarz und mit einer schönen, äußerst stabilen, beigen Schaumkrone. Im Mund war es, als ging eine Malzbombe hoch. Erinnerte mich an belgische Trappistenbiere wie ein Westmalle. Dann kamen intensive Schoko und Kaffeenoten hoch. Der Abgang leicht bitter. Es ist zwar kein Uerige Doppel-Sticke – aber sicher eines der besten Altbiere, die ich je getrunken habe – sehr lecker.

Helios – Das ist das Brot- und Butter-Bier in der Braustelle. Es kommt in der 0,2 Kölschstange und hat eine trübe dunkelgelbe Farbe. Es schmeckt wie ein Kölsch auf Speed. 4,8 Prozent Alkohol und sehr viel Hopfen. Ein Bier zum Genießen, aber auch zum Zechen. Laut Esser ein „Ur-Kölsch“. Folglich stand es vor fast jedem Gast in der Braustelle.

Peter Esser bietet in seiner Brauerei auch Brauseminare an. Dort lernt man einen Tag lang vom Meister selbst wie man sein eigenes Bier braut. Das werde ich demnächst auf jeden Fall machen und natürlich davon berichten. Insgesamt eine tolle Kneipe mit viel Charme und einem experimentierfreudigem Brauer, der sein Handwerk versteht.